- Henning Laux ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Bremen am Lehrstuhl für soziologische Theorie.
- Es gibt nach Laux 4 Phasen in der Strukturbildung –> Kollisionsphase, Kompositionsphase, Institutionalisierungsphase und Dekonstruktionsphase.
- Kollisionsphase:
- Es kommt zu einem Aufeinandertreffen verschiedenster Propositionen: Dies verursacht einen „sozialen Ur-Knall“.
- Das Aufeinandertreffen der Propositionen ist zufällig und kann von keinem der Elemente gesteuert werden. Da die Elemente nicht fixiert sind, ist noch alles im Fluss und kann verändert werden. In dieser Phase liegt eine lose Akkumulation heterogener Elemente vor, aus denen sich das Soziale entwickelt.
- „Feste Positionen, Distanzen, Abhängigkeiten, Kompetenzen, Ressourcen und Hierarchien können sich im Embryonalstadium der Struktur weder herausbilden noch festigen“.
- Die Kollisionsphase beschränkt sich nicht zwangsläufig auf reine Zweierbeziehungen; auch abstrakte Formen entstehen durch eine Verkettung verschiedener Elemente, z.B. in der Wirtschaft, in der Politik oder im Rechtssystem.
- Beispiele sind das erstmalige Treffen zweier Kindern im Sandkasten oder aber die erste Stunde eines Seminars mit neuen Teilnehmern. Ein abstraktes Beispiel wäre das kapitalistische Wirtschaftssystem.
- –> Strukturierte Situationen können nur entstehen, wenn die „flüchtige[n] Relationen durch wiederholte Begegnung [..] stabilisier[t] werden“.
- –> Hierbei ist sowohl der erneute Aufprall als auch die Herausbildung geteilter Narrative zwischen den Elementen notwendig.
- Kompositionsphase
- In dieser Phase fangen die Elemente an, sich langsam zu verbinden und auch andere Elemente einzubinden. Hierbei spielen Narrative zentrale Rollen.
- Bei der Komposition werden „Identitäten und Differenzen beobachtet, beeinflusst, zugeschrieben, getestet, abgelehnt, revidiert, kontrolliert, verhandelt, nachgeahmt, zerstört oder postuliert“. –> Die Kontingenz ist erkennbar, jedoch lässt sich das Gebilde nicht mehr ohne weiteres veränderbar.
- Beispiele sind das richtige Kennenlernen in Freundschaften oder Beziehungen. Ebenso ist die Kompositionsphase anwendbar auf das kapitalistische Wirtschaftssystem (Anzahl an Anbietern und Konsumenten muss ausreichen/ In einer Firma gibt es zu Beginn noch keine festgelegte Hierarchie oder Infrastruktur).
- Der Begriff der Komposition ist sehr abstrakt skizziert, sodass er sich auch auf Kulturen und Sprachen anwenden lässt.
- –> In der Kompositionsphase „schlägt die Stunde der Öffentlichkeit“, d.h. es können noch Strukturen verändert werden, bevor sie in der nächsten Phase festgelegt werden.
- –> „Rolle der nichtmenschlichen Wesen“: Diese sind notwendig um ein Kollektiv aufzubauen, zum Beispiel gäbe es keinen Nationalstaat ohne Grenzzäune, Flaggen, Wappen, Personalausweise Reisepässe etc..
- Institutionalisierungsphase
- „Entscheidender Schritt in der Strukturgenese“
- In der Institutionalisierungsphase wird das noch flüssige Gesamtgemenge der verschiedenen Elemente klar definiert und verfestigt. Nun sind keine/kaum Änderungen mehr möglich.
- „Die unscharfe, unendliche, flimmernde und umstrittene Assoziation formiert sich nun zu einer klar definierten, endlichen, stabilen, einheitlichen und unbestreitbaren Black Box“ –> vom heterogenen zum homogenen Gebilde.
- Nun gibt es auch eine „Innen-Aussen-Grenze“, um die einzelnen Strukturen von der Umwelt abzuheben, z.B. in einer Familie oder in einem Freundeskreis –> Kriterien für die Grenzen werden von keinem atomistisch operierenden Autor festgelegt, sonder entstehen „aus dem relationalen Gemenge der assoziierten menschlichen und nichtmenschlichen Wesen“.
- Natürlich lässt sich die Institutionalisierungsphase auch auf abstrakte Formen in der Wirtschaft, dem Recht und der Politik anwenden.
- „Der Institutionalisierungsmechanismus zielt auf die klare Bestimmung von Distanzen, Abhängigkeiten, Repräsentanten, Kompetenzen, Zuständigkeiten, Rollen und Funktionen.“ –> hieraus entstehen tiefe oder flache Hierarchien.
- Durch sogenannte „Plug-Ins“ wird das Verhalten in einer Struktur normalisiert und etwaige Uneineindeutigkeiten beseitigt. „Plug-Ins“ –> „diskursive Anforderungsprofile, die für den Kreis ihrer Adressaten standardisierte Verhaltens-, Denk- und Wahrnehmungsmuster bereithalten“.
- Dekonstruktionsphase
- Streng genommen ist die Dekonstruktionsphase ein Unterordnungsmechanismus.
- In der Dekonstruktionsphase wird die zuvor gebildete Einheit „unterlaufen, zersetzt, attackiert, infiltriert, erodiert und zerstreut.“
- Die Dekonstruktionsphase zeigt, dass mit der Institutionalisierungsphase nie die Garantie gegeben ist, eine unveränderbare Einheit auf Dauer zu festigen. –> die Struktur zerfällt in ihre Einzelteile.
- Beispiele: Geschlechterrollen, Massentierhaltung oder politischer Absolutismus.
- Fazit
- In den seltensten Fällen ist die Strukturgenesung eine „Einbahnstrasse“. Es kommt immer wieder zu Rückschritten, Veränderungen oder Reparaturen an und in der Struktur selbst. Im äussersten Fall kommt es zu einem Zerfall (Dekonstruktion).
- Netzwerke sind keinesfalls immer da (auf keinem „göttlichen Reissbrett“ entworfen), sondern müssen über verschiedene Stadien hinweg gebildet werden –> Verbindung zu Protestbewegungen.
Literatur:
- Laux, Henning (2014): Soziologie im Zeitalter der Komposition. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.
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