Zum Inhalt springen

Einführung: Systemtheorie, Netzwerktheorie und Protest

1 Theoretische Grundlagen

1.1 System- bzw. Differenztheorie

  • Systemtheorie verstehe ich hier im Sinne der Theorie selbstreferentieller, geschlossener Systeme nach Niklas Luhmann,
  • frühere und neuere systemtheoretische Überlegungen, z. B. Parsons Theorie offener Systeme oder die Theorie komplexer Systeme (z. B. Paul Cilliers 1998) werden so bewusst nicht betrachtet,

  • Allerdings ist Luhmanns Theorie im Kern keine Systemtheorie, sondern basiert auf einer Differenztheorie (Luhmann 2006), weshalb Luhmann ein System als die Differenz (sic!) von System- und Umwelt definiert (Luhmann 1984, S. 10) ,
  • neben Niklas Luhmanns Theorie und Thomas Kerns Anwendung der luhmannschen Systemtheorie auf Proteste wird deshalb auch Chantal Mouffes differenzbasierte Theorie der Agonistik hier als eine Systemtheorie im Sinne Luhmanns betrachtet,
  • diese Einordnung ist natürlich streitbar.

1.2 Netzwerk- bzw. Verknüpfungstheorien

1.3 System- und Netzwerktheorien oder Differenz- und Verknüpfungstheorien

  • System- und Netzwerktheorien im oben genannten Sinne können idealtypisch auch als Differenz- und Verknüpfungstheorien betrachtet werden,
  • bei dieser Betrachtung handelt es sich aber nicht um eine entweder oder Betrachtung,
  • Differenzen und Verknüpfungen tauchen in der Regel in beiden Theoriezweigen auf, haben aber eine (deutlich) unterschiedliche Bedeutung innerhalb der jeweiligen Theoriearchitektur.

2 Protest

2.1 Hat sich die Anzahl der Proteste in den letzten Jahren erhöht?

Ortiz et. al. 2013: World Protests 2006 – 2013

 

  • Diesen Zahlen stehen rund 5000 Demonstrationen in Berlin im Jahr 2015 gegenüber,
  • kurz: es sind keine verlässlichen Zahlen über die Anzahl von Protesten zugänglich,
  • dies ist ein methodisches Problem:
  • so werden, wie bei Ortiz et. al., in der Regel Medienberichte über Demonstrationen und Proteste gezählt,
  • und ein Transparenzproblem:
  • praktisch müssten bei deutschen und schweizer Behörden zumindest die Zahlen für die offiziell angemeldete Demonstrationen vorliegen, diese sind aber nicht ohne weiteres zugänglich.

2.2 Wer demonstriert (in Deutschland)? 

Franz Walter arbeitet in „Die neue Macht der Bürger“ auf Basis einer recht breiten empirischen Untersuchung die Sozialstruktur der untersuchten AktivistInnen heraus. Aus diesen Daten habe ich folgenden Idealtypus gebildet. Der typische Aktivist ist:

  • männlich (ca. 70%),
  • evangelisch,
  • verfügt über recht viel freie Zeit,
  • zwischen 56 – 65 Jahre alt,
  • Rentner,
  • verfügt über einen hohen bis sehr hohen Bildungsabschluss (Abitur oder höher),
  • verfügt über protestbezogenes Expertenwissen,
  • misstraut der repräsentativen Demokratie,
  • für mehr (direkte) Demokratie.

Für eine deutlich differenzierte Darstellung siehe Walter 2013 S. 299ff.

3 Wie können Sie Protest empirisch untersuchen?

  • Im Rahmen dieses Seminars kann es nicht darum gehen, dass Sie eine umfangreiche empirische Untersuchung anfertigen,
  • Schwerpunkt ist die Anwendung der entsprechenden Theorien auf einen konkreten Gegenstand, auf eine Protestbewegung oder auf deren Organisation oder auf weitere Teilaspekte von Protest, z. B. auf unterschiedliche Protestformen, Medieneinsatz etc.,
  • dennoch benötigen Sie einen empirischen Zugang zum Feld. Recht einfach zu realisierende klassische empirische Methoden sind dabei Interviews, Fragebögen und teilnehmende Beobachtung (vgl. Walter 2013, S. 12ff),
  • trotz ihrer Einfachheit sind diese klassischen empirischen Methoden häufig nicht ohne grösseren Aufwand zu realisieren (Reisewege, Zugang zum Feld etc.),
  • Interviews und Fragbögen lassen sich aber recht leicht auch über elektronische Kommunikationswege (E-Mail/Skype-Interview, Online-Surveys) realisieren,
  • in der Regel wird aber selbst dies den Aufwand übersteigen, den Sie bereit sind für ein Seminar zu betreiben,
  • pragmatische, und für die Zwecke des Seminars vollkommen ausreichende Methoden sind dabei die Analyse von Selbstdarstellungen (z. B. Webseiten oder andere öffentlich zugängliche Dokumente, die von einer Protestbewegung selbst erstellt wurden) oder die Analyse von Videos, Bildern, Tonaufnahmen einer Protestbewegung,
  • wichtig bei der Auswahl ist dabei, dass es sich um möglichst „rohe“ Daten handelt. Alles andere würde eine zweite Theorie zwischen ihrer Betrachtung und den Gegenstand und seinen (sic!) Theorien stellen. Während zum Beispiel ein Video eines Occupy Wallstreet Aktivisten in Ordnung ist, ist eine Fernsehdokumentation über Occupy Wallstreet ebenso ungeeignet wie ein wissenschaftliches Buch über die Bewegung,
  • öffentliche Interviews von Akteuren einer Protestbewegung stellen einen Sonderfall. Hier bedarf es einer Einzelfallentscheidung,
  • des Weiteren, um einen Vergleich zwischen den unterschiedlichen theoretischen Ansätzen zu ermöglichen, soll ein konkreter Gegenstand jeweils aus einer system- und einer netzwerktheoretischen Perspektive betrachtet werden,
  • dabei würde es mich freuen, wenn Sie ihren Schwerpunkt auf Protestbewegungen in der Schweiz legen würden.

How to use wordpress?

Benutzer:

Studenten:

Mediathek

 

Links: WordPress und HTML

WordPress: Elmastudio

HTML/CSS: W3Schools

Creative Commons

Literatur:

Cilliers, Paul (1998): Complexity and postmodernism. Understanding complex systems / Paul Cilliers. London: Routledge.

Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, 666).

Luhmann, Niklas (2006): System as Difference. In Organization 13 (1), pp. 37–57. DOI: 10.1177/1350508406059638 .

 

Print Friendly, PDF & Email

Sei der Erste der einen Kommentar abgibt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert